Erlebnisse mit der Pflanzenmedizin der Liane

Prozesse und Erlebnisse des Retreats

Am Donnerstag, dem zweiten Tag nach unserer Ankunft begleitet Ulrich uns auf eine Wanderung hinauf zum Scheitel des Wasserfalls. Dort ist Sierra, eine Gebirgslandschaft, welche fast keine Bäume mehr und ein anderes Klima hat. Es sieht dort aus wie im Bündner Hochland, z.B. den Heubergen, hier jedoch ohne Hütten und Wege. Wir gelangen zum Bach, der sich kurz darauf in den Wasserfall ergiesst. Dort oben sind schattige und sonnige Felsbrocken, wo man gut verweilen und Wasserbecken, wo man schwimmen kann.

Ulrich zeigt uns aber nicht nur botanische, zoologische und geologische Besonderheiten. Seine Begleitung für Outdoor-Aktivitäten und einen angenehmen Aufenthalt sind nur ein Teil seiner vielfältigen Aktivitäten. Ulrichs besondere Kompetenz liegt darin, die Rituale und Pflanzenmedizin von Schamanen dieses Kontinents mit der Wertschätzung und dem Schutz der Natur, mit moderner spiritueller Praxis und unserer Persönlichkeitsentwicklung zu verbinden. Er begleitet Menschen persönlich und in Gruppen in Wahrnehmungen, Visionen und in deren Verbindung mit dem Alltag. Für diese Prozesse nutzt er Gespräche, die erwähnten Outdoor-Aktivitäten, die wundervolle Natur und die Pflanzenmedizin der Schamanen. Letztere entspricht einer langjährigen Tradition von Heilung und Visionsfindung. Die Staaten Brasilien und Peru und vielleicht weitere Länder haben es offiziell legalisiert und als Kulturgut ihres Landes gewürdigt. Es gibt einzelne traditionelle Kirchen, die das in ihre Zeremonien einbinden, z.B. die Daime-Kirche. Die Pflanzenmedizin gibt es in verschiedenen Mischungen oder Varianten, fast so viele, wie es bei uns Teesorten gibt. Wie beim Tee ist auch deren Wirkung je nach Sorte unterschiedlich. Die Pflanzenmedizin, die Ulrich nutzt, enthält einen hohen Anteil einer Liane, die Erfahrungen mit verschiedenen Wahrnehmungszuständen und mit Wahrnehmungen an der Schwelle von Leben und Tod fördert. Sie ist ein brauner Saft, der nicht gerade gut schmeckt. Es ist kaum möglich, zu viel davon einzunehmen. Menschen neigen ohnehin schnell dazu, nach Einnahme dieses Saftes zu erbrechen. Auch abhängig werden kann man nicht davon. Sie erinnert mich ein bisschen an Asterix, der einen Zaubertrank braut. Doch bei uns geht es nicht darum, genügend stark zu werden, um uns erfolgreich gegen die Römer schlagen zu können, sondern um besonders tiefe innere Erfahrungen zu machen. Die Stärke liegt zum einen in der Heilwirkung und zum andern in erweitertem Bewusstsein. Vielleicht komme ich damit etwas weiter, als mir in meiner Meditationspraxis bisher gegönnt war. Diese Pflanzenmedizin nennen wir in Kurzfom Aya. In Anspielung an Asterix und unsere Kultur nutze ich gelegentlich humorvoll das Wort Zaubertrank.

Am Bach und an den Teichen über dem Wasserfall geben sich vier Personen diesem Zaubertrank hin. Die Stimmung dieser Personen und der Gruppe verändert sich, wirkt beschaulicher, verinnerlichter, als ob sich jeder seiner eigenen inneren oder äusseren Welt widmet. Wir Neuankömmlinge warten noch mit diesem Ritual.

Ich schaue hinunter ins Tal und zu unseren Hütten, die ein paar Kilometer entfernt liegen. Dann wähle ich einen neuen Weg, um allein über die Sierra und den Wald zu unseren Hütten zurück zu kehren. Es ist ein schönes und etwas herausforderndes Gefühl, alleine in der menschenleeren und noch unbekannten Weite der Sierra zu wandern und einen passenden Weg zurück zu finden. Erinnerungen aus meinem Leben steigen hoch, wo ich auch schon auf eigene Faust los ging, etwas unreflektiert zu riskante Wege gewählt hatte und froh sein musste, heil nach Hause zu kommen. Jetzt bin ich mit mehr Aufmerksamkeit, Gefühl und Reflexion unterwegs. Doch auch diesmal fehlen ein paar allgemeine Vorsichtsmassnahmen, wie mir eben bewusst wird. Ich habe weder Portemonnaie, Ausweis, Adresse meiner Unterkunft noch eine Signalpfeife oder dergleichen bei mir. Doch alles klappt gut. Nach 1½ Stunden komme ich bei meiner Hütte an.

Zwei junge Männer waren an einem anderen Wasserfall des Tals und haben eine Klapperschlange von über einem Meter Länge gesehen. Sie bringen Videoaufnahmen von ihr mit. Wir reflektieren, ob wir ein solch gefährliches Tier in unserer Nähe leben lassen dürfen, zumal wir ja in einem selbst gewählten Naturschutzgebiet sind. Wir sind vorläufig damit verblieben, die Schlange dort leben zu lassen.

Am Freitag findet unser erstes Aya-Ritual statt. Wir befinden uns im grossen Raum, wo wir auch essen. Ulrich beginnt das Ritual ohne grosse Einstimmung, Nennung von Absichten , Aufbau von Schutzräumen oder Anrufung von Wesenheiten. Allerdings weiss er von allen Teilnehmern bereits, was sie sich wünschen. Auf dem niederen Tisch sind Kristalle, eine brennende Kerze, ein Federwedel und weitere Objekte aufgestellt. Es wirkt wie ein kleiner Altarplatz. Gitarre, Harmonika und weitere kleine Instrumente stehen in der Nähe bereit. Die Pflanzenmedizin wird uns respektvoll in einem kleinen Zinnbecher gereicht. Es sind etwa 20 ml drin. Das braune Getränk schmeckt unappetitlich. Man schluckt es mit Vorteil schnell hinunter und gönnt sich nachher ein kleines Stück Süssigkeit, um einen angenehmen Geschmack im Mund wiederherzustellen. Jeder macht sich mit Schaffellen, Tüchern und Kissen einen persönlichen Platz zurecht. Die meisten bereiten sich darauf vor, bequem zu liegen. Ich bleibe meist aufrecht sitzend oder stehend. Später bewege ich mich gelegentlich in ganz langsamen Schritten im Raum, atme stärker oder tanze ganz sachte. Es dauert eine Weile, bis die Wirkung des Zaubertranks spürbar wird. Nach etwa zehn Minuten glauben einzelne Personen, mich inklusive, eine leichte Veränderung in einer Auraschicht ausserhalb ihres physisch sichtbaren Körpers zu spüren. Diese Schicht fühlt sich erdiger und dichter an. Deutlicher beginnt die Pflanzenmedizin sich nach etwa dreissig bis fünfzig Minuten bei Menschen zu zeigen, die ihre Augen geschlossen halten. In ihren inneren Bildern beginnen sich farbige Ornamente in pflanzlichen oder geometrischen Formen, die sich ständig verändern zu bilden. Bei einzelnen Personen treten auch Köpfe und körperliche Formen in Erscheinung, die manchmal wie Dämonen, Fratzen oder wilde Tiere aussehen. Das kann beängstigend wirken und Flucht- oder Abwehrreaktionen hervorrufen. Einige Wochen später entdecke ich Darstellungen auf Wandteppichen des Künstlers Máximo Laura, die mch an meine Bilder im Ritual erinnern. Bei mir persönlich bleibt es primär bei pflanzlichen Formen in grün und blau, die sich ständig bewegen und verformen. Aber auch das kann beängstigend wirken, wenn die sich bewegenden Formen immer mehr auf einen zu kommen und den Eindruck geben, mich einzuwickeln oder zu verschlingen. Mich erinnert das an eine im Tibetischen Totenbuch beschriebene Phase nach dem physischen Tod. In diesem Buch wird gelehrt, dass alle Formen und Wesen, die vor mir erscheinen mir nichts anhaben können. Ich durfte all das also wie ein Schauspiel oder einen Film annehmen, bei dem ich als Zuschauer in einer sicheren Reihe sitze. Wenn ich die Augen öffne, ist wieder Ruhe und die gewohnte Umgebung sichtbar, wenigstens am Anfang des Rituals. Später wirkt auch meine Umgebung verändert, meist in ganz feinen grauen oder weissen geometrischen Mustern, die sich wie ein Netz über die Gegenstände und Szenen meiner Umwelt legen. Bei halb geöffneten Augen ist beides gleichzeitig verfügbar. Das erinnert mich an die Möglichkeit, dass mehrere Szenen und Zustände gleichzeitig in mir stattfinden und ich im Alltag vielleicht nur eine Wahrnehmungsschicht davon bewusst wahrnehme.

Die meisten Freunde um mich haben sich hingelegt und geben sich ihren Wahrnehmungen hin. Einige finden, still zu liegen helfe ihnen auch, mit der Übelkeit besser umgehen zu können. Für mich persönlich ist das Liegen nicht lange optimal. Ich werde schläfrig und weniger fähig, in einem Wahrnehmungsprozess die Orientierung zu behalten, da und dort bewusst zu verweilen oder den Verlauf der Prozesse mitzubestimmen. Bin ich etwa zu kontrolliert? Kann ich mich nicht voll hingeben? Ich weiss es nicht genau und möchte mir schon dieser Fragen bewusst bleiben. Ich finde es einfach schade, wenn ein Wahrnehmungsfilm wie ein Traum abläuft, an den ich mich nachher nicht mehr erinnern kann oder bei dem ich nicht weiss oder nicht erkennen kann, was er mit mir zu tun hat. Ich mag zwischendrin inne halten, einen bestimmten Aspekt tiefer fühlen, versuchen, eine Essenz für mich oder einen Bezug zu mir zu erkennen, Fragen und Wünsche äussern und nach Möglichkeit gar Antworten daraus in eine für den Alltagszustand verständliche, fühlbare oder nachvollziehbare Form transportieren.

Manchmal begegne ich einzelnen Freunden in einer kurzen Berührung, Umarmung oder einem Verweilen nebeneinander. Es ist interessant, wie sie manchmal wie aus dem Nichts hinter den farbigen Mustern auftauchen, spürbar werden und dann wieder verschwinden.

Nach einer Stunde (mein Zeitgefühl ist allerdings stark reduziert) habe ich genug von den vielen Formen, die sich ausserhalb von mir bewegen. Ich finde sie inzwischen irgendwie leer und unbeseelt, wie wenn ich eine Stunde lang die bewegten Grafiken eines Bildschirmschoners auf meinem Computer anschauen müsste. Ich finde wenig Bezug dieser Bilder zu mir persönlich. Daher suche ich einen Weg, mehr mich selber zu spüren und eine Bedeutung oder Essenz hinter all diesen Formen zu fühlen. Dabei konzentriere ich mich mehr auf mein Herzzentrum. Das ist anfänglich gar nicht so leicht. Wo liegt denn mein Herzzentrum? Bei den vielen bewegten Bildern habe ich vergessen, mich und meinen Körper wahrzunehmen. Gibt es mich in diesem vielfältigen Bewegungsspiel überhaupt noch? Wer bin ich darin? Mit diesen Fragen und dieser Suche merke ich, dass ich mich jetzt eher als etwas Ganzes empfinde, welches das aktuelle Ritual zusammen mit mir, den Formen und den Freunden umfasst. Wo ist da denn der Remi geblieben? Wenn jemand mich anspricht, gibt eine Stimme Antwort, die nach Remi tönt. Nach meiner Wahrnehmung taucht die Stimme wie aus dem Nichts auf und verschwindet nach dem Gesagten wieder. Was die Stimme gesagt hat, passt zu dem, wie Remi normalerweise fühlt und denkt. Dass aber ich das sei, der eben gesprochen hat, ist mir in diesem Zeitpunkt des Rituals nicht so klar oder gar eine unangenehme Einschränkung.

Eine kurze Phase lang setze ich mich mit Verena in den Yab-Yum. Das ist ein starkes Erlebnis. Es fühlt sich an, als ob ich mit ihr verschmolzen sei oder ich sie und sie mich sei. Etwas später löse ich mich auf. Auch sie verschwindet wie in einem Nebel oder in einer anderen Zeit oder einer anderen Form. Dann tauchen wir wieder auf. Es ist nicht recht fassbar für mich, was hier geschieht. Ich fühle mich aber auch nicht besonders verbunden mit dem Du oder der Person von Verena, sondern spüre fast nur mich oder uns oder das Ganze. Es ist für mich auch nicht etwas ganz Berührendes oder Verbindendes zwischen zwei Personen, wie ich es in bisherigen tantrischen Begegnungen normalerweise erlebe, sondern eher ein nüchternes Sein in verschiedenen Manifestationen.

Dieses Entstehen und Vergehen, Auftauchen und Verschwinden ist ein besonderes Erlebnis für mich in diesem Ritual. Auch die Zeit und der Raum erscheinen mir anders als sonst. Sie sind kaum einzuordnen, abzuschätzen oder miteinander in eine lineare Verbindung zu bringen. Selbst die Gedanken von Remi tauchen auf und verschwinden wieder, ohne dass ich sie so recht in eine lineare oder logische Verbindung bringen kann. Ein bisschen konsternierend finde ich, dass ich kaum auf Personen Bezug nehmen und mich kaum einfühlen kann, wie ich es sonst in einer liebevollen Begegnung erlebe. Auch zu mir als Person finde ich wenig Bezug. Mein Ich ist eigentlich "nur" die Summe vieler Manifestationen, aber auch nicht von allem. Die Grenzen sind sehr diffus. Auch eine Wertung, was jetzt gut sei und was nicht, fehlt. Etwas ist einfach. Meine Gedanken sind sehr reduziert. Mehr als drei bis fünf Wörter zu denken, hören oder sprechen will mir nicht gelingen. Eine logische Folge von mehreren Wörtern oder mehreren Gedanken zu bilden scheint mir anstrengend und fast unmöglich. Das ist ja eigentlich ein schöner Zustand, wenn es in meinem Kopf nicht ständig plappert oder denkt. Eine Person, auf die ich zugehe kann ausführlich berichten, was sie aktuell erlebt. Mir gelingt es kaum, ihren Sätzen zu folgen. Nur ein paar wenige Wörter pro Satz kann ich aufnehmen und lasse sie auf mich wirken. Ich verweile dann einen Moment in einer einzelnen Mitteilung, gehe dem Gehalt oder der Schwingung tiefer nach und verliere damit natürlich den Inhalt der nächsten Sätze. Es gelingt mir nicht, mich vollständig auf die Person und ihr Gesagtes einzufühlen. Manchmal schaue oder höre ich einfach der subtilen Veränderung eines Tones, Klanges oder Gedankens nach, ohne etwas verstehen zu müssen. Hat das vielleicht eine Verwandtschaft mit Personen in Demenz, unter Narkose oder im Sterbeprozess? Eine weitere Person besuche ich, die ganz still liegt. Auch hier gelingt es mir nicht zu spüren, wie es ihr geht. Ich bleibe einfach eine Weile neben ihr sitzen und ziehe dann weiter. Jeder scheint in diesem Ritual in seinem eigenen Film zu sein. Die Verbindung zu diesen Personen gelingt mir nur durch kurze Begegnungen und durch das Gefühl, dass wir zusammen ein Teil des grossen Ich sind. Es ist zwar schön zu wissen, dass wir zusammen so etwas wie ein Ich oder grösseres Ganzes ausmachen, aber es ist auch irgendwie traurig, dass ich gleichzeitig getrennt bin von der Innenwelt der anderen Personen, demnach auch irgendwie getrennt von mir selber oder meiner eigenen Person bin. Immerhin haben wir die Gabe, miteinander auszutauschen und uns den Eindruck zu vermitteln, wir würden uns verstehen. Es ist vielleicht ein lebenslanger Versuch, andere Persönlichkeiten und uns selber zu sehen und tiefer zu verstehen oder uns unserem grossen Ich zu nähern.

Eine weitere Konsternation ist für mich, weder sehen noch fühlen zu können, was die Quelle, die Schöpferkraft, die Seele oder die Essenz all dieser wahrgenommenen Manifestationen ist. Alles, was auftaucht, die vielfältigen Ornamente, die Freunde um mich und sogar ich selber erscheinen mir fast wie eine leere Hülle. Nur indirekt kann ich darauf schliessen, dass ich mehr bin als eine leere Hülle, z.B. indem ich diese Konsternation spüre, einen tieferen Sinn hinter uns Manifestationen vermisse oder eine Trauer über unser Getrennt sein spüre.

Ähnlich wird es mit der Liebe: Ich kann sie nicht mehr in mir wahrnehmen, jedenfalls nicht mehr in der Art, wie ich das mir vorher vorgestellt habe. Zwar nehme ich die Liebe indirekt wahr, z.B. dass der Remi gelegentlich hilfsbereit zur Verfügung steht, er sich aufmerksam und liebevoll jemandem zuwendet und er sich dankbar zeigt, wenn jemand auf ihn zukommt. Aber das Herzzentrum von Remis Körper, die Liebe an sich oder die schöpferischen Impulse kann ich nicht wirklich wahrnehmen. Jetzt im Ich des grösseren Ganzen nehme ich eher Aspekte einer generellen Liebe und schöpferische Impulse wahr, die wie aus dem Nichts kommen, sich in kurzen Ausdrucksformen wie feine Wellen oder wie der Lichtstrahl eines Meteoriten zeigen und dann wieder im Dunkeln verschwinden. Das scheinen mir Anzeichen einer Liebe oder Schöpferkraft zu sein, die weit über mein Ich hinaus gehen und nicht nur von mir selber sind.

Ulrich meint dazu, ich könne die Göttin Aya in einem nächsten Ritual bitten, mir die Seele oder die Schöpferkraft hinter diesen Manifestationen zu zeigen. Diesen Hinweis nehme ich gerne auf. In diesem Sinn kann ich wohl auch der Liebe tiefer nach gehen.

Im Austausch mit Ulrich höre ich den Remi sprechen, als ob er vor sich hin plappert, spüre, wie Remi sich freut und manchmal irritiert wird. Doch fast alles bleibt ohne Wertung. Es ist einfach so, wie es ist. Falls ich etwas verbessern möchte, kann ich es ja später mal versuchen.

Nach etwa zwei Stunden spüre ich, wie die vielen Bilder und beschriebenen Erlebnisse zurück gehen und ich mehr und mehr wieder im Denken und Fühlen des Remi ankomme.

Drei geschenkte Züge aus einer Hanfzigarette helfen mir, dass ich ruhiger werde, und die vielen auftauchenden Bilder sich zurück ziehen.

Nachdem das Ritual zu Ende ist, wird das Nachtessen serviert. Ich spüre jedoch kaum Appetit. Mein Körper fühlt sich noch schwer an, und mein Magen ist noch irgendwie verkrampft. Freunde um mich herum zeigen guten Appetit. Es scheint, dass sie mit dem Essen auch leichter im Alltagszustand landen.

Ich begebe mich in mein Zimmer und lege mich ins Bett. Doch Schlafen ist noch nicht angesagt. Gedanken und Bilder kreisen während rund zwei Stunden in meinem Kopf weiter, bis ich endlich einschlafen kann.

Alles in allem ist dieses Ritual ein wertvolles Erlebnis im Sinne eines Aufbruchs in eine Entdeckungsreise.

 

Das nächste Ritual folgt nach einer kurzen Pause am übernächsten Tag.

Diesmal führt uns Ulrich in die Natur. Über einen schönen Weg den Wald hinauf gelangen wir in die Berge, wo nur noch wenig Vegetation ist. Ulrich zeigt uns Bergbäche und kleine Teiche, an denen entlang Bäume und Sträucher wachsen. Am Wasser und im Schatten dieser Bäume gönnen wir uns erneut eine erste Portion unseres magischen Getränks. Ich lege mich auf einen moosbewachsenen Stein. Diesmal dauert es ein bisschen länger, bis ich die Wirkung spüre, vielleicht, weil ich mich von der Landschaft ein bisschen ablenken lasse und mich anfänglich nicht voll hingeben kann. Aber bald bekomme ich den Eindruck, dass jeder Baum, jede Pflanze und jeder Stein von Leben erfüllt ist. Die Naturgeräusche des Baches verstärken diesen Eindruck. Erneut taucht in mir die Vorstellung auf, dass ich das alles sei und der Remi ein kleiner Teil davon ist. Doch erneut kann ich keine Verbindung mit der Seele weder dieser Natur noch von mir selber herstellen. Alles, was ich sehe, erscheint mir erneut wie leere Manifestation. Den Rückweg nach Hause trete ich etwas später an als die übrigen. Somit finde ich mich alleine wandernd in der Natur. Mein Schritt ist wackelig, wie wenn ich betrunken oder im Körper eines uralten, schwachen Mannes sei. Ich bleibe oft stehen und schaue mir die Vergetation um mich herum an. Nicht selten berühre ich mein Herz. Allmählich gelingt es mir, eine Herzverbindung zu meinem Körper und zu meiner Umwelt zu spüren. Ich bin berührt, grüsse oder küsse einzelne Pflanzen. Manchmal habe ich den Eindruck, Pflanzengruppen würden eine Familie oder Gemeinschaft bilden und mich neugierig anschauen. Die Weite der Berglandschaft und der Ebene wird wie mein Wohnraum. Ich fühle mich zu Hause und in Verbindung. Das ist ein deutlicher Schritt, die Liebe und Verbundenheit mit diesen Manifestationen und mit mir wieder spüren zu können.

 

Im dritten Ritual gehen wir vier vom Erfahrungskreis auf Wanderschaft in die Bergwelt. In der Nähe eines Baches machen wir Pause. Zwei bleiben dort und richten sich für einen längeren Aufenthalt ein. Ich gehe mit Verena weiter über die Hochebene, um ins nächste Tal blicken zu können. Wir haben erneut Pflanzenmedizin eingenommen. Die Grashalme, Steine und die Bergwelt dieser Hochebene wirken bereits belebt. Der Blick ins Tal ist maiestätisch. Beim Verweilen haben wir Zeit, auch über unsere Beziehung zu sprechen. Vielleicht ist es uns gelungen, in diesem veränderten Zustand mehr oder Essentielleres zu sagen als sonst in einem Alltagsgespräch. Ein Gewitter baut sich im anderen Tal auf. Wir machen uns daran, heimzukehren. Auf dem Rückweg beginnt es zu regnen. Die Wassertropfen liebkosen unseren Körper. Nachher trocknet uns die Sonne wieder. Wir treffen die anderen zwei Freunde und bleiben mit ihnen eine weitere Stunde. Ich setze mich im Yogasitz auf einen Stein und bete Mantren. Aya mit Mantren führt mich vorübergehend in tiefe Räume, wenn auch nicht lange. Gedankliche Ablenkungen treten auf. Beginnt diese Pflanzenmedizin etwa die Attraktivität des Neuen zu verlieren, die mich bisher voll in ihren Bann ziehen konnte? Muss ich mich künftig wie bei Meditationen bewusst konzentrieren, damit ich nicht in gedankliche Ablenkungen abschweife?

Auf dem Heimweg habe ich mit Emotionen und einem Gefühl der Ernüchterung zu kämpfen. War das jetzt alles, was ich mit Aya erfahren kann? Wird mir der Bezug zur Seele, zur Schöpfernatur oder zur Essenz all dieser Manifestationen überhaupt gelingen? Werde ich meinen Fokus und meine Aufmerksamkeit halten können?

Fürs vierte Ritual gehe ich am späten Nachmittag mit Devamani und Isabelle den Waldweg hoch. Mein Rucksack ist vollbepackt mit Zelt, Matten, Schlafsäcken usw. Wir wollen in der Bergwelt übernachten. Auf dem Weg haben wir Pflanzenmedizin zu uns genommen. Bei Sonnenuntergang kommen wir am Zeltplatz an und richten unsere Lagerplätze ein. In der einbrechenden Dunkelheit stehen wir in der weiten Ebene. Ruhe und eine besondere Aufmerksamkeit tritt ein, die mich sowohl mit meinem Körper als auch mit der Umgebung verbindet. Die im Ritual üblichen Ornamente sind diesmal weiss, statt wie bisher grün oder blau. Nach einem gemeinsamen Verweilen begebe ich mich in mein Zelt und widme mich den Wahrnehmungen. Ich spüre nicht sehr viel. Während einer Stunde rezitiere ich Mantren. Der Wind weht die ganze Nacht recht stark und schüttelt mein Zelt kräftig durch. Ich habe viele gedankliche Ablenkungen und Erinnerungen an frühere Zeiten, aber keine besonderen Wahrnehmungen. Wieder muss ich darauf verzichten, die Schöpferkraft oder tiefere Essenz der vielen Manifestationen um mich herum wahrnehmen zu dürfen. Etwas müde und ernüchtert kehre ich am nächsten Vormittag zu meiner Unterkunft zurück.

Wir vier im Erfahungskreis tauschen regelmässig über unser Befinden aus. Beim Essen und gelegentlich in weiteren Gesprächsrunden erkundigt sich Ulrich nach dem aktuellen Stand unserer Erfahrungen mit der Pflanzenmedizin und der Natur. Dort wird deutlich, dass jede Person ganz eigene Zielsetzungen und Erfahrungen mit Aya hat. Für die eine Person steht im Vordergrund, das es ihr gut geht und sie sich mit offenem Herzen voll annehmen kann, wie sie ist. Jemand anderer achtet stärker auf die persönlichen Impulse und Verhaltensmuster, um damit stärker in die Tiefe oder in neue Verhaltensweisen zu gelangen. Weitere Personen legen ihren Fokus auf Visionen zu ihrem Leben, z.B. die Lebensweise und Partnerschaft, neue berufliche Aktivitäten, das persönliche Gottesbild oder sonstige Essenzen ihres Lebens. Auch Gesundheit, Mut, Loslassen, Annehmen, Hingabe, neue Ideen usw. sind Themen, denen wir uns in Ritualen mit dieser Pflanzenmedizin tiefer widmen. Es gibt auch den Wunsch, häufiger oder gar dauernd in einer Wahrnehmungsfähigkeit wie mit Aya zu bleiben und aus diesem Dauerzustand das Alltagsleben besser gestalten zu können. Da wir alle aus dem selben Kulturkreis kommen und relativ ähnlich denken, sie die erwähnten Schwerpunktthemen relativ verwandt. Menschen aus anderen Kulturen oder in anderen Umständen würden vermutlich noch weit andere Erfahrungen sammeln und Schwerpunkte setzen.

Im fünften Ritual versuchen wir, neben Aya unsere vertrauten Praktiken des Tantra zu nutzen. Wir legen ein Mattenfeld und unseren Altar bereit, teilen einander mit, was wir tun und was wir unterlassen möchten und nehmen dann den magischen Trank ein. Wir beginnen mit Tanzen. Nachher steigen wir in eine Massage zu zweit und zu dritt ein. Es tut gut, unsere Körper zu spüren. Doch bald nach der ersten Wirkung des Tranks möchten alle am liebsten liegen und nur noch empfangen. Das Geben einer Massage fühlt sich zu anstrengend an. Zwei haben zwischendrin versucht, miteinander im Yab-Yum zu sitzen, aber diesmal will es nicht so recht klappen. Ich sitze nach einer Weile wieder auf und beginne mit einer Atemmeditation. Die fühlt sich recht gut an und führt mich zeitweilig in tiefere Wahrnehmungszustände. Das Ergebnis ist aber weniger gut, als wenn ich ohne Aya Pranayama praktiziere. Wieder habe ich gedankliche Ablenkungen. Es ist schwierig, mich zu konzentrieren. Irgendwie finden wir uns mit der Kombination von Aya und Tantra nicht so gut zurecht.

 

In wenigen Stunden ist Vollmond. Das Wetter ist schön und angenehm warm. Ulrich lädt uns zu einer Vollmondnacht mit Pflanzenmedizin ein. Es wird mein sechstes Ritual. Nach der Einnahme des Zaubertranks breiten wir Liegematten und Felle auf der Wiese vor dem Haus aus.

Liegend fühle ich mich den vielen Manifestationen ausgesetzt. Sie sind erneut weiss, statt wie früher grün, etwas später dann auch blau. Diesmal sind sie besonders stark in Bewegung, wirken aber immer noch oberflächlich und kaum beseelt auf mich. Bei offenen Augen erscheint der Himmel mit zwei oder mehr hellen, durchsichtigen Lichtnetzen gespannt. Zwischen den Netzen leuchten kristallähnliche Gebilde in den Spektralfarben. Das hat eine beeindruckende 3D-Tiefenwirkung.

Ich spüre Bauchschmerzen und bekomme damit einen direkteren Bezug zu meinem Körper. Die Beschwerden sind zum Glück nicht stark. Sie unterstützen mich darin, präsent zu bleiben, nicht einzuschlafen oder mich in Ablenkungen zu verlieren.

Ich bekomme kalt und will ins Bett unter die Decke. Dabei fällt mir auf, dass das ein langjähriges Reaktionsmuster von mir ist. Ich entscheide mich, bei den Freunden am Ritualplatz zu bleiben, in der Hocke, manchmal stehend oder im Meditationssitz, stets gut eingepackt in eine Fliesdecke. Ich sehe die Freunde, die auf ihren Matten liegen und spüre eine Verbindung zu ihnen und zu unserem Ritual. Diesmal verzichte ich auf Interaktionen mit ihnen oder auf Hilfestellungen. Erneut stelle ich mir Fragen nach dem, was hinter unseren Manifestationen ist, nach der Schöpfung und der Liebe. Immer noch empfinde ich Leere in all diesen Formen, Gedanken und im Leben. Ich vermute dabei, dass ich es bin oder wir es sind, die all diesen Manifestationen und Eigenschaften Form und Struktur geben. Selbst die irdische Liebe gestalte ich oder gestalten wir. In Erinnerung ans erste Ritual fühle ich erneut eine Liebe, die umfassender ist, ohne es genau wahrnehmen zu können. Ich beginne, mir oder den Erscheinungen Fragen zu stellen und auf Antworten zu lauschen, z.B. über die Schöpfung.

Habe ich in diesem Ritual Fortschritte gemacht? Komme ich in meinem Prozess weiter? Ich weiss es noch nicht. Zumindest kann ich an frühere Erfahrungen wieder anknüpfen.

 

Zwei Tage später wähle ich ein Ritual in der Natur. Ich nehme erneut Pflanzenmedizin ein und richte mir einen Platz unter dem Mangobaum neben unserer Unterkunft ein. Nach einigen Minuten merke ich, dass ich etwas mehr in den Schatten und etwas weiter weg von den Behausungen ziehen will. An einem Bach finde ich einen passenden Sitzplatz und verweile dort für einige Stunden. Das Rauschen des Baches, die Bäume um mich und umher fliegende Schmetterlinge bilden eine schöne Umgebung. Ich finde es gut, alleine im Ritual zu sein. Sogar den Abend und einen Teil der Dunkelheit möchte ich hier alleine erleben. Es gelingt mir recht gut, etwa fünf Stunden hier mit mir und der Natur zu verbringen. In Anlehnung ans letzte Ritual stelle ich wieder Fragen und lausche auf Antworten. Ich nehme Verbindung mit meinen Vorfahren auf. Es scheint mir, dass sie sich mir nicht als Einzelpersonen zeigen, wie sie damals auf der Welt waren, sondern eher summarisch als eine geistige Form oder Energie, die vieles von meinen Vorfahren enthält. Diese Gemeinschaft von Vorfahren achtete auch darauf, mich nicht mit individuellen Nöten einzelner Vorfahren zu belasten, sondern sich auf die Bedürfnisse meines Lebens zu konzentrieren. Ich versuche, auf ihre Stimme zu hören und mich von ihnen durchs Ritual leiten zu lassen. Ich lerne Essenzen, die jetzt für mich passend sind und nicht zwingend für mein ganzes Leben oder für weitere Menschen optimal sein müssen. Diese Botschaften erscheinen mir wie eine Intuition. Ein Tipp, den ich mitbekomme, ist, meine bisher gelernten und praktizierten Methoden künftig weniger für einen späteren Zustand wie z.B. die Erleuchtung zu instrumentalisieren, sondern sie eher voll im Hier und Jetzt zu leben. Eine Kernübung daraus ist das Atmen. Ich erhalte die Anregung, weniger Pranayama im Hinblick auf einen tieferen Meditationszustand einzusetzen, sondern eher Einatmen und Ausatmen voll auszukosten. Damit würden sich Tore für nächste Essenzen öffnen, über die ich mir jetzt noch keine Gedanken zu machen brauche.

Meine Vorfahren und viele weitere Wesenheiten bis zu Engeln zeigen sich bereit, mich zu heilen und mich als Kanal oder Verteiler zu nutzen, um weitere Menschen oder Lebewesen zu heilen. Wie das gehen soll, darf ich ihnen überlassen. Das fühlt sich gut an.

Später fällt mir auf, dass ich vergessen habe, nach dem Schöpfer, der Quelle oder der Seele aller Manifestationen zu fragen.

 

Für mein achtes Ritual nehme ich mir vor, alleine im Zimmer zu bleiben. Ich trinke etwas mehr von der Pflanzenmedizin als üblich, setze mich im Yogasitz auf eine Matratze und schliesse meine Ohren durch Ohrstöpsel zu. Zu Beginn praktiziere ich Atemübungen der tantrischen Tradition, die meine Konzentration und Fokussierung auf die Innenwelt aktivieren. Ich beginne, meinen Körper zu berühren und zu kneten. Damit wird mein Körper deutlicher spürbar als in früheren Ritualen. Auch meine Prostata massiere ich äusserlich und kann sie recht gut wahrnehmen. Mit meinem Becken mache ich kreisende oder wippende Bewegungen und atme dabei kräftiger. Nach weniger als einer halben Stunde tauchen die ersten bewegten Bilder auf, wie ich sie schon früher erleben durfte. Ich empfinde sie erneut als aufdringlich und oberflächlich. Sie sind immer noch nicht in einem neuen Wirklichkeitsfeld, wie ich mir das wünsche. Was soll ich jetzt machen, um weiter als bisher zu kommen? Ich nehme innerlich Kontakt mit einer höheren Begleitung und meiner Intuition auf. Aufgrund der inneren Stimme trinke ich erneut etwa 20 ml Aya. In der Flasche bleiben nur noch 20 ml zurück. Was soll dieser Rest? Nach etwa zehn Minuten frage ich meine inneren Begleiter, ob ich den ganzen Rest auch noch trinken soll. Dem schien ein inneres Ja zu folgen. So bin ich mit 100 ml dieses Tranks unterwegs, mehr als der doppelten Menge, die ich bisher eingenommen habe.

Ich bitte Aya und die Kräfte, mir das zu zeigen, was die Quelle oder der Lebensspender oder der Schöpfer all dieser äusseren Manifestationen ist. Meine Wahrnehmung weitet sich, doch mit dem, was ich sehe, komme ich nicht deutlich weiter. Ich äussere meine Bitte erneut inständig und betone dabei das göttliche Feld. Mein Körper beginnt mit Atemübungen und Beckenwippen, ohne dass ich das mir vorgenommen hätte. Dann eröffnet sich mir ein helles und stilles Feld. Als Kulisse erscheint eine Landschaft wie die Sierra, die sich weit, still und tief anfühlt. Ich gelange in eine volle Präsenz und tiefe Wahrnehmung, die 2-3 Stunden anhält. Ich bin von gedanklichen Ablenkungen befreit, was mir in dieser Länge bisher noch nie gelungen ist. Meine Präsenz und Wahrnehmung ist so aktiv und schnell, dass sie jeden Impuls und Gedanken von mir sogleich erkennt, sogar eine Sekunde vor dem Auftreten dieses Impulses oder Gedankens. Ich empfinde Ruhe, Stimmigkeit und Übereinstimmung mit dieser Leere und Fülle und mit dem, was ist. Alles findet im Hier und Jetzt statt. Eigentlich bin ich eins mit dem allem, während der Remi ein Teil davon ist. Es ist eine Wahrnehmungsenergie, Präsenz und ein Mitgefühl da, die von besonderer Natur sind. Nichts muss übersteigert oder erhöht werden. Meine Projekte des Alltags erscheinen mir jetzt irrelevant. Es ist aber ok, wenn ich mich später wieder um sie kümmere. Ich nehme dieses Hier und Jetzt und mich selber voll an. Ich Remi brauche nichts besonderes zu werden oder zu erreichen. Alles ist gut, so wie es ist.

Verena kommt nach Hause von einem zweitägigen Ausflug. Ich spüre eine Zuneigung, ein offenes Herz und Liebe. Nachher bin ich wieder für einige Minuten allein. Der Alltagszustand kündigt sich wieder an. Die Vorstellung, wieder in meinen Körper und Alltag zurück zu kehren, fühlt sich dicht und anstrengend an. Ich beginne, häufiger daran zu denken. Ich spüre Beschwerden im Bauch. Es würgt mich. Ich muss mich übergeben. Nachher fühlt sich die Rückkehr etwas leichter an. Die tolle Wahrnehmung von vorhin lässt nach. Ich finde mich mehr und mehr im Alltagszustand wieder. In meinem Bauch rumort es weiter.

Verena ist erneut im Raum. Meine Stimme und Stimmung zu ihr ist ganz fein, fast wie ein schüchternes Engelchen. Ich mache Kreisbewegungen mit dem Kopf.

Nachher lege ich mich auch zu ihr ins Bett. Es fühlt sich fliessend und liebevoll an. Ich bleibe in meinem Wahrnehmungsfeld und verweile lange so, bis sie einschläft. Noch immer spüre ich ein kotziges Rumoren im Bauch. Erbrechen würde diesen Zustand erlösen, aber es gelingt mir nicht. Ich schlucke ständig Speichel. Mein Bett und meine Bettdecke werden ganz nass, weil ich wie verrückt schwitze. Muss es denn so anstrengend sein, von diesem sphärischen Zustand wieder im Alltagskörper zu landen? Ich bleibe eine Stunde auf und gehe dann wieder schlafen. Mein ganzer Körper scheint noch durcheinander zu sein. Am nächsten Morgen fühle ich mich noch nicht fit. Ich bleibe bis über Mittag liegen. Freunde kommen bei mir vorbei wie bei einem Krankenbesuch. Man bemerkt meine Abwesenheit und fragt sich, was mit dem Remi los ist. Am Nachmittag ab drei Uhr sieht man mich auf etwas wackeligen Beinen durch die Gegend gehen. Ich habe über 24 Stunden nichts mehr getrunken und hole das jetzt ausgiebig nach. Essen mag ich erst am Abend wieder so richtig. Erst jetzt bin ich bereit, von meinen Erlebnissen zu berichten.

Am nächsten Tag erzähle ich Ulrich davon. Er findet, dass ich eine Art Initiation erlebt habe. Was wird das zu bedeuten haben? Welches Tor wurde geöffnet, welche Entwicklung eingeleitet? Ich weiss es noch nicht.

Die Erfahrung aber, auch wenn sie jetzt im Alltagszustand etwas verblasst ist, wird mir bestimmt noch lange präsent bleiben.

 

Das Retreat im Naturreservat Altamira geht langsam zu Ende. Mit den acht erlebten Ritualen enthält es für mich eine spirituelle Praxis, die weit über ein Schnupperweekend hinaus geht. Ich bin mit dem Geschenk neuer Wahrnehmungen und mit meinen Begrenztheiten, wie Ungeduld, Angst und fixen Verhaltensmustern weiter gekommen als bisher. Nun mache ich mich daran, die vielen Eindrücke zu verarbeiten. Das empfinde ich als aufwändig. Ich füge meine vielen verteilten Notizen über meine Erfahrungen und offenen Fragen zusammen, um sie besser in meine Lebenspraxis und in meinen Alltag einbringen zu können. Nach drei Wochen in Abadiania und ebenso viel in Altamira hat sich bereits viel angesammelt. Schön ist, dass ich diese Erfahrungen sowohl allein als auch im Kreis von Freunden erleben darf. Ich bin dankbar, mit ihnen im Erfahrungskreis unterwegs sein zu dürfen.

Ulrich bin ich für die fachkundige Begleitung dankbar. Es ist ein Glück, von jemanden mit so vielen Erfahrungen sowohl aus den Traditionen als auch aus unserer modernen Welt begleitet zu werden. Das Retreatzentrum in diesem schönen Platz Natur hat auch seinen Beitrag zum guten Gelingen dieses Retreats geleistet. Wer wirklich tief in Visionen und persönliche Prozesse einsteigen möchte, der ist bei Ulrich, seiner Pflanzenmedizin und dem Reservat Altamira gut aufgehoben. Wer hier mitmacht, unterstützt auch den Erhalt dieses Retreatzentrums und des Naturschutzprojekts Altamira.

(Text von Remigius, Fotos von Teilnehmern der Reisegruppe)